Die Prostataarterienembolisation (PAE) - der künstliche Verschluss von Blutgefässen - ist eine verhältnismässig neue minimal-invasive Methode zu Behandlung der gutartigen Prostatahyperplasie. Für bestimmte Patienten ist dieses Verfahren eine gute Alternative zu den bewährten Therapieformen.
Bei der PAE wird in örtlicher Betäubung ein Katheter unter Röntgenkontrolle (vergleichbar einer Herzkatheteruntersuchung) zu den Prostata-versorgenden Gefässen im kleinen Becken auf beiden Seiten navigiert und diese Gefässe dann mittels Mikrokügelchen (Mikropartikel, Mikrosphären) verschlossen. Bis auf die örtliche Betäubung in der Leistengegend ist die Behandlung schmerzfrei. Der Eingriff selbst dauert ca. 1 ½ - 2 Stunden – dies ist davon abhängig wie schnell rein technisch die Sondierung der Prostata-versorgenden Gefässe mittels Mikrokatheter gelingt. Im Anschluss an den Eingriff wird das Kathetermaterial entfernt und der Patient hat 4 Stunden Bettruhe. Am Folgetag kann der Patient das Spital verlassen. Als Effekt der Embolisation kommt es zum Zellschaden des Prostatagewebes, welches vom Körper abgebaut wird und die Prostata schrumpft. Hierdurch kommt es zur Rückbildung der Beschwerden, welche durch die Vergrösserung der Prostata hervorgerufen wurden.
Schematische Darstellung der Prostataarterienembolisation. In örtlicher Betäubung wird ein Katheter in die Leistenarterie eingeführt und in die Prostatagefässe navigiert. Anschliessend werden Mikropartikel (Mikrokügelchen) appliziert, welche die kleinen Gefässe in der Prostata verschliessen.
Insgesamt ähnelt der Eingriff sehr dem einer sogenannten Myomembolisation, ein sehr gut untersuchtes interventionelles Verfahren zur minimal-invasiven und organerhaltenden Behandlung von symptomatischen Gebärmuttermyomen, welches in ihrer klinischen Effektivität operativen Verfahren gegenüber gleichwertig ist (vgl. www.uterus-myomatosus.net).
Vorteile der Prostataarterienembolisation sind:
Nachteile der Prostataarterienembolisation sind:
Voraussetzungen für die sichere Durchführung des Verfahrens:
Die Prozedur sollte deshalb von einem erfahrenen interventionellen Radiologen mit spezifischem Training und Expertise in Mikrokatheter-Embolisationstechniken im Allgemeinen und der PAE im Speziellen durchgeführt werden. Dies entspricht den Empfehlungen des renommierten National Institute for Health and Care Excellence (https://www.nice.org.uk/guidance/ipg611/chapter/1-Recommendations).
Die Effekte der PAE sind multifaktoriell: zum einen führt der Gefässverschluss durch die Mikrokügelchen zum Untergang des Prostatagewebes. Dieses Gewebe wird vom Körper abgebaut und die Prostata schrumpft. Daneben kommt es jedoch auch zu einer Reduktion der Hormon-Rezeptoren sowie der α-adrenergen-Rezeptoren, welche für die Erschlaffung der glatten Muskulatur in der Prostata verantwortlich sind - ein Effekt ganz ähnlich dem der medikamentösen Behandlung mit 5-Alpha-Reduktasehemmern.
MRT vor und 3 Monate nach Prostataarterienembolisation zeigt den Behandlungseffekt: die Prostata ist geschrumpft und weist deutlich zu erkennende schwarze Zonen mit Gewebeuntergang (Nekrosezonen) auf.
Es liegt auf der Hand dass dieser Prozess Zeit braucht, insbesondere im Vergleich zur TUR-P. In der Regel verspüren die Patienten jedoch in dem ersten Monat nach der PAE bereits eine Besserung ihrer Beschwerden.
Dies konnte in einer vergleichenden Studie TUR-P versus PAE gut herausgearbeitet werden, bei der sich nach 6 Monaten die beiden Gruppen bezüglich einer Besserung der Beschwerden (gemessen an dem IPSS) nicht signifikant voneinander unterschieden (vergleiche Abbildung).
Ergebnisse der ersten prospektiv-randomisierten Studie zur Wertigkeit der Prostataarterienembolisation (PAE) im Vergleich zur Operation (TUR-P) bezüglich der klinischen Beschwerden bei gutartiger Prostatahyperplasie gemessen an der Reduktion des IPSS (Gao et al., Radiology 2014 270: 920-92).
Grundsätzlich wird stets individuell ausgewählt, welches Verfahren für welchen Patienten am besten geeignet ist. Die Indikation zur Durchführung einer PAE wird hierbei interdisziplinär zwischen einem Facharzt für Urologie und einem interventionellen Radiologen des Zentrums für Mikrotherapie der Klinik Hirslanden gestellt. Hierfür ist die Regel die Erhebung folgender Parameter notwendig:
In den meisten Fällen erfolgt der Vorschlag zur Durchführung der PAE von Seiten des Urologen nach sorgfältiger Abwägung der Therapiemöglichkeiten in der individuellen Situation eines betroffenen Patienten. Erst danach erfolgt die ambulante Vorstellung des Patienten bei dem behandelnden interventionellen Radiologen im Zentrum für Mikrotherapie, der die Effektivität, Sicherheit und das Spektrum möglicher Komplikationen ausführlich mit dem Patienten bespricht. Dieses interdisziplinäre Vorgehen ist entscheidend für die adäquate Patientenselektion und entspricht den Empfehlungen des National Institute for Health and Care Excellence (https://www.nice.org.uk/guidance/ipg611/chapter/1-Recommendations).
Interdisziplinär erstellte Kriterien zur Patientenselektion für PAE:
Patienten mit gutartiger Prostatavergrösserung und grossem Prostatavolumen (> 50-60 ml) und fortgeschrittenen Beschwerden beim Wasserlassen (IPSS ≥ 18) welche die Kriterien für eine transurethrale Resektion der Prostata (TUR-P) erfüllen:
Aus der bislang gesammelten Erfahrung profitieren Patienten mit irritativen Symptomen am deutlichsten von der PAE.
Bei folgenden Patienten ist die Durchführung einer PAE nicht sinnvoll:
Prostatakarzinom, Einengung der Harnröhre (Striktur der Urethra), neurogene Blase und klinisch relevant eingeschränkte Nierenfunktion (chronische Niereninsuffizienz)
Allen Patienten, bei denen eine PAE avisiert ist, wird vorgeschaltet an die Behandlung die Durchführung eines multiparametrischen MRT der Prostata empfohlen, um mit grösstmöglicher Sicherheit ein Prostatakarzinom auszuschliessen. Sollte sich hierbei ein auffälliger Befund ergeben, so muss vorher mit einer bildfusionierten Ultraschall-Punktion zunächst ein Prostatakarzinom ausgeschlossen werden.
Folgende Beschwerden sind bei gutartiger Prostatahyperplasie charakteristisch, wobei zwischen obstruktiven und irritativen Symptomen unterschieden wird:
Obstruktive Symptome:
• abgeschwächter Harnstrahl
• verzögerter Beginn der Entleerung („Anlaufschwäche“)
• länger dauernde Blasenentleerung (verlängerte Miktionszeit)
• häufiges Wasserlassen (Pollakisurie)
• Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung
• Nachtröpfeln
• nächtliche Inkontinenz bei Überlaufblase
Irritative Symptome:
• häufiges Wasserlassen mit kleinen Urinportionen (Pollakisurie)
• gehäuftes nächtliches Wasserlassen (Nykturie)
• unwillkürlich einschießender Harndrang
Der Eingriff selbst erfolgt unter stationären Bedingungen. Die Patienten treten am Nachmittag vor dem Eingriffstag ein. Zu dem Zeitpunkt erfolgt eine CT-Angiographie des Beckens zur Identifikation von Gefässverkalkungen und atherosklerotischen Gefässeinengungen sowie der arteriellen Versorgung der Prostata, welche sehr variabel sein kann (siehe Schemazeichnung zur pelvinen Blutversorgung:).
Schematische Darstellung der häufigsten Varianten der arteriellen Blutversorgung der Prostata.
Diese Untersuchung ist folglich hochrelevant um den hohen technischen Erfolg der Prozedur zu gewährleisten.
Unmittelbar vor dem Eingriff erfolgt die Einlage eines Blasenkatheters durch den betreuenden Urologen, der auch die Indikation zur PAE mit gestellt hat. Nachfolgend wird die PAE durchgeführt, welche ca. 1 ½ - 2 Stunden dauert. Bei der PAE wird in örtlicher Betäubung ein Katheter unter Röntgenkontrolle (vergleichbar einer Herzkatheteruntersuchung) zu den Prostata-versorgenden Gefässen im kleinen Becken auf beiden Seiten navigiert und diese Gefässe dann mittels Mikrokügelchen (Mikropartikel, Mikrosphären) verschlossen (Embolisation). Vor der Durchführung der eigentlichen Partikelembolisation wird standardmässig eine sog. Rotationsangiographie zur Simulation der Verteilung der Mikrokügelchen durchgeführt.
Darstellung der prostataversorgenden Gefässe nach Selektivsondierung mittels Mikrokatheter (linkes Bild) und korrespondierende Rotationsangiografie zur Dokumentation einer kräftigen Kontrastmittelanreicherung ausschliesslich in der Prostata (rechtes Bild).
Nach Embolisation aus der klassischen Katheterposition wird zudem der Katheter in den Ast, der die zentralen Anteile der Prostata versorgt navigiert und hierüber erneut Mikrosphären appliziert (PERFecTED Technique). In einer vergleichenden Untersuchung von 107 Patienten konnte gezeigt werden, dass sich bei Verwendung dieser Technik die Beschwerden (IPSS), die Lebensqualität (QoL) sowie die Hanflussrate (Qmax) noch ausgeprägter verbessern lassen (siehe Tabelle).
Katheterposition vor Durchführung der konventionellen Prostataarterienembolisation (links). Nachfolgend ist keine Anfärbung der Prostatagefässe mit Kontrastmittel (Parenchymblush) mehr abgrenzbar (rechts) - das eigentliche Embolisationsziel ist hiermit eigentlich erreicht.
Nachfolgend Anwendung der PErFecTED Technik: hierbei Sondierung noch tiefer gelegener Abschnitte der Prostataarterien (Pfeil). Nach Kontrastmittelgabe stellen sich nun wieder eine Vielzahl von Gefässen dar (links). Erst nach erneuter Embolisation Nachweis des erwünschten kompletten Gefässverschlusses (rechts).
Ergebnisse einer vergleichenden Studie an 107 Patienten mit der konventionellen und weiterentwickelten (PErFecTED – Peripheral Embolisation First, Then Embolize Distally) Embolisationstechnik (Carnevale et et., CVIR 2017 40:366-374).
Am Ende des Eingriffes wird das Kathetermaterial entfernt und die Punktionsstelle der Arterie im Bereich der Leiste unter Verwendung eines Verschlusssystems verschlossen. Der Blasenkatheter wird in der Regel nach 4-6 Stunden entfernt. Solange hat der Patient Bettruhe. Austritt ist am Vormittag des Folgetages.
Nach 3 und 12 Monaten sind interdisziplinäre urologisch/interventionell-radiologische Nachsorgen vorgesehen, bei der die gleichen Parameter bestimmt werden, die zur Indikationsstellung zur PAE initial dienten. Zu den Zeitpunkten werden Prostatagrösse, Restharnmenge und der Harnstrahl mittels Uroflowmetrie sowie erneut die Fragebögen zu IPSS und IIEF-5 erhoben.
PROF. DR. MED. OLIVER DUDECK
Interventionelle Radiologie, FMH Radiologie
Klinik Hirslanden
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